Berne mit NASIM hydrodynamisch modelliert
08.06.2017
Delft-FEWS-Nordsee
Wasserstandsvorhersage für die deutsche Nordsee
08.06.2017

Modellierung von Rückstau, Fließrichtungswechsel und Abflussaufteilung

NASIM verfügt ab der Version 4.5 über die Möglichkeit, den Wellenablauf in Transportelementen mit einem hydrodynamischen Rechenansatz zu simulieren. Mit einer Pilotstudie im Einzugsgebiet der Niers haben wir diese Funktionalität eingesetzt und getestet. Ergebnis: Der hydrodynamische Ansatz berechnet plausible Abflüsse für komplexe Systeme, in denen Rückstau oder Fließumkehr auftreten. Auch Gewässeraufteilungen lassen sich damit adäquat abbilden.

N-A-Modell modelliert dynamische Systeme

Hydrotec hat NASIM um einen hydrodynamischen Modellansatz ergänzt, mit dem Hydrologen dynamische Fließverhältnisse wie Rückstau oder Fließumkehr innerhalb eines N-A-Modells abbilden können. Bei Hochwasser sind genau diese Prozesse häufig ausschlaggebend für die Abflussretention.

Folgende Situationen lassen sich mit dem hydrodynamischen Ansatz (NASIM HDR) modellieren:

  • Rückstau in flachen Gewässern und Mündungsbereichen
  • Druckabfluss in Kanälen/Verrohrungen
  • Rückstau aus Speichern (HRB, Talsperren)
  • Gewässeraufteilungen

N-A-Modelle, die allein auf einem hydrologischen Ansatz z. B. nach dem Kalinin-Miljukov-Verfahren (KMV) basieren, sind nicht in der Lage, komplexe Fließprozesse zu simulieren.

Aspekt 1: Rückstau und Fließumkehr

An einem 12 km langen Abschnitt der Niers treten im Hochwasserfall an den Einmündungen von fünf Zuflüssen Rückstau und teilweise Fließumkehr auf. Für diesen Bereich haben wir Vergleichsrechnungen mit dem hydrologischen Ansatz nach Kalinin-Miljukov und dem hydrodynamischen Verfahren durchgeführt (Simulationszeitraum 2008 – 2011).

Untersuchte Aspekte:

  • Abflüsse an zwei Pegeln der Niers
  • Rückstau in die Nebengewässer und teilweise Fließumkehr

Ergebnis: Mit dem hydrodynamischen Rechenkern modelliert das Modell Rückstaueffekte und Fließumkehr im Gewässer. In Abflusssituationen ohne Rückstau berechnet NASIM mit HDR und nach dem Kalinin-Miljukov-Verfahren vergleichbare Ergebnisse.

Aspekt 2: Abflussaufteilung und Polderzu- und abfluss

N-A-Modell modelliert dynamische Systeme

NASIM HDR ist in der Lage, das Abflussverhalten dieses komplexen Systems an der Niers abzubilden.

Hier war ein komplexes hydrodynamisches System abzubilden. In die Niers mündet das Nebengewässer „Zweigkanal“ (Kanal IIIb). Kurz hinter der Einmündung ist ein Polder an die Niers angeschlossen. Der Zweigkanal und der Zulauf zum Polder sind wiederum mit einem Stichkanal miteinander verbunden.

Das Wasserspiegel- bzw. Energieliniengefälle bestimmt die Fließrichtung zwischen diesen Elementen. Die Fließrichtung zwischen dem Hauptgewässer und dem Polder sowie dem Nebengewässer und dem Polder ist jeweils variabel.

Eingangsdaten für NASIM HDR aus 1D-Modell Jabron

Das NASIM-Modell wurde durch Einsetzen weiterer Transportelemente für Fließstrecken und Abzweige ergänzt, um die Poldersituation darzustellen.

Zur Abbildung des ungesteuerten Polders im Mündungsbereich des Zweigkanals (Kanal IIIb) in die Niers in NASIM HDR dient ein Jabron-Modelldatensatz. Er beinhaltet:

  • Vermessungsdaten (Messpunkte) an der festen Schwelle des Polderauslaufs in die Niers
  • Jabron-Profile aus Vermessungsdaten und Planunterlagen für den Stichkanal mit Spundwand zwischen Zweigkanal und Polder
  • Profile im Polder wurden aus dem DGM so angelegt, dass die Speicherinhaltskurve erfasst ist. Aus diesen Daten wurde zur Berechnung mit NASIM HDR eine Eingabe-Datei erzeugt, die die Überleitungsabflüsse enthält.

Modellansatz NASIM HDR

  • 1D-hydrodynamische Berechnungsmethode für die Wellenausbreitung in Fließgewässern gekoppelt mit NASIM
  • Basis: diffuse Wellenapproximation
  • Transformation von Profildaten in 1D-Größen
  • Instationäre Berechnung der Wasserspiegellagen nach DVWK 220

Vergleich NASIM HDR/NASIM Kalinin-Miljukov

Welche Abflüsse berechnet NASIM HDR in diesem komplexen Abflusssystem und wie schneidet der hydrologische Ansatz dabei ab?

Dazu führten wir vergleichende Rechenläufe für den Zeitraum 01.11.2008 bis 01.11.2011 durch. In diese Zeitspanne fallen je ein Hochwasserereignis in der Niers (01.09.2010) und im Zuflussgewässer Kanal IIIb (09.07.2009). In beiden Fällen strömt Wasser in den Polder und fließt von dort wieder in die Niers ab.

Abflussaufteilung bei Hochwasser

Diagramm 1: Hydrodynamische Berechnung einer Gewässeraufteilung, Hochwasserereignis

Diagramm 1: Hydrodynamische Berechnung einer Gewässeraufteilung während des Hochwasserereignis

Das Diagramm 1 zeigt, wieviel Wasser nach NASIM HDR an der Aufteilungsstelle des Kanals IIIb im Verlauf eines Hochwasserereignisses in den Polder fließt (rote Linie). Im Anstieg der Welle, wenn der Polder noch weitestgehend leer ist, kann auch bei geringen Zuflussmengen relativ viel Wasser in den Polder fließen. Im weiteren Verlauf des Hochwasserereignisses ändert sich die Aufteilung des Wassers abhängig von den Wasserspiegeldifferenzen kontinuierlich. Wesentlich ist, dass diese Aufteilung während der Simulation berechnet wird und bei jedem Ereignis anders aussehen wird.

Im Vergleich dazu kann das Abflussverhalten mit den bisher in NASIM verfügbaren Aufteilungsmöglichkeiten – wie der prozentualen Aufteilung (grüne Linie) oder der Aufteilungsfunktion mit vorgegebenen Stützstellen (blaue Linie) – nur unzureichend abgebildet werden.

Abflussaufteilung bei Niedrigwasser/Mittelwasser

Diagramm 2: Hydrodynamische Berechnung einer Gewässeraufteilung, Niedrig-/Mittelwasser

Diagramm 2: Hydrodynamische Berechnung einer Gewässeraufteilung bei Niedrig-/Mittelwasser

Aufgrund der Dynamik ist keine eindeutige Zuordnung zwischen Zufluss im Kanal und seitlichem Abfluss möglich. Deshalb treffen vorab definierte Aufteilungen für die meisten Fälle nicht zu. Die hydrodynamische Modellierung (Diagramm 2, rote Punkte) spiegelt die Abhängigkeit zwischen Abflüssen und Wasserspiegeldifferenzen wider, indem sie
zu einem Zufluss verschiedene seitliche Abflüsse berechnen kann. Rückfluss aus dem Polder bzw. aus dem Hauptgewässer wird als negativer Wert abgebildet.

Mit dem Kalinin-Miljukov-Ansatz (schwarze, grüne bzw. blaue Kurve) unter Verwendung der fixen Aufteilungsmöglichkeiten (prozentual, Schwellwert, Funktion) wird keine passende Abbildung des Fließverhaltens erreicht.

Hydrodynamische Modellierung nutzerfreundlich umgesetzt

Der hydrodynamische Rechenkern ist in der aktuellen NASIM-Version (4.5) als alternative Berechnungsmethode in NASIM integriert. Teile des NASIM-Systemplans, für die dynamische Rückstaueffekte relevant sind, können hydrodynamisch berechnet werden, wobei für das restliche Modell wie bisher der hydrologische Ansatz gilt. Das Modell eignet sich auch für geschlossene Profile und Kanäle.

M.A. Geogr. Manfred Dorp, Dr. rer. nat. Eva Loch, Dipl.-Math. Benedikt Rothe