NASIM verfügt ab der Version 4.5 über die Möglichkeit, den Wellenablauf in Transportelementen mit einem hydrodynamischen Rechenansatz zu simulieren. Mit einer Pilotstudie im Einzugsgebiet der Niers haben wir diese Funktionalität eingesetzt und getestet. Ergebnis: Der hydrodynamische Ansatz berechnet plausible Abflüsse für komplexe Systeme, in denen Rückstau oder Fließumkehr auftreten. Auch Gewässeraufteilungen lassen sich damit adäquat abbilden.
Hydrotec hat NASIM um einen hydrodynamischen Modellansatz ergänzt, mit dem Hydrologen dynamische Fließverhältnisse wie Rückstau oder Fließumkehr innerhalb eines N-A-Modells abbilden können. Bei Hochwasser sind genau diese Prozesse häufig ausschlaggebend für die Abflussretention.
Folgende Situationen lassen sich mit dem hydrodynamischen Ansatz (NASIM HDR) modellieren:
N-A-Modelle, die allein auf einem hydrologischen Ansatz z. B. nach dem Kalinin-Miljukov-Verfahren (KMV) basieren, sind nicht in der Lage, komplexe Fließprozesse zu simulieren.
An einem 12 km langen Abschnitt der Niers treten im Hochwasserfall an den Einmündungen von fünf Zuflüssen Rückstau und teilweise Fließumkehr auf. Für diesen Bereich haben wir Vergleichsrechnungen mit dem hydrologischen Ansatz nach Kalinin-Miljukov und dem hydrodynamischen Verfahren durchgeführt (Simulationszeitraum 2008 – 2011).
Untersuchte Aspekte:
Ergebnis: Mit dem hydrodynamischen Rechenkern modelliert das Modell Rückstaueffekte und Fließumkehr im Gewässer. In Abflusssituationen ohne Rückstau berechnet NASIM mit HDR und nach dem Kalinin-Miljukov-Verfahren vergleichbare Ergebnisse.
Hier war ein komplexes hydrodynamisches System abzubilden. In die Niers mündet das Nebengewässer „Zweigkanal“ (Kanal IIIb). Kurz hinter der Einmündung ist ein Polder an die Niers angeschlossen. Der Zweigkanal und der Zulauf zum Polder sind wiederum mit einem Stichkanal miteinander verbunden.
Das Wasserspiegel- bzw. Energieliniengefälle bestimmt die Fließrichtung zwischen diesen Elementen. Die Fließrichtung zwischen dem Hauptgewässer und dem Polder sowie dem Nebengewässer und dem Polder ist jeweils variabel.
Das NASIM-Modell wurde durch Einsetzen weiterer Transportelemente für Fließstrecken und Abzweige ergänzt, um die Poldersituation darzustellen.
Zur Abbildung des ungesteuerten Polders im Mündungsbereich des Zweigkanals (Kanal IIIb) in die Niers in NASIM HDR dient ein Jabron-Modelldatensatz. Er beinhaltet:
Welche Abflüsse berechnet NASIM HDR in diesem komplexen Abflusssystem und wie schneidet der hydrologische Ansatz dabei ab?
Dazu führten wir vergleichende Rechenläufe für den Zeitraum 01.11.2008 bis 01.11.2011 durch. In diese Zeitspanne fallen je ein Hochwasserereignis in der Niers (01.09.2010) und im Zuflussgewässer Kanal IIIb (09.07.2009). In beiden Fällen strömt Wasser in den Polder und fließt von dort wieder in die Niers ab.
Das Diagramm 1 zeigt, wieviel Wasser nach NASIM HDR an der Aufteilungsstelle des Kanals IIIb im Verlauf eines Hochwasserereignisses in den Polder fließt (rote Linie). Im Anstieg der Welle, wenn der Polder noch weitestgehend leer ist, kann auch bei geringen Zuflussmengen relativ viel Wasser in den Polder fließen. Im weiteren Verlauf des Hochwasserereignisses ändert sich die Aufteilung des Wassers abhängig von den Wasserspiegeldifferenzen kontinuierlich. Wesentlich ist, dass diese Aufteilung während der Simulation berechnet wird und bei jedem Ereignis anders aussehen wird.
Im Vergleich dazu kann das Abflussverhalten mit den bisher in NASIM verfügbaren Aufteilungsmöglichkeiten – wie der prozentualen Aufteilung (grüne Linie) oder der Aufteilungsfunktion mit vorgegebenen Stützstellen (blaue Linie) – nur unzureichend abgebildet werden.
Aufgrund der Dynamik ist keine eindeutige Zuordnung zwischen Zufluss im Kanal und seitlichem Abfluss möglich. Deshalb treffen vorab definierte Aufteilungen für die meisten Fälle nicht zu. Die hydrodynamische Modellierung (Diagramm 2, rote Punkte) spiegelt die Abhängigkeit zwischen Abflüssen und Wasserspiegeldifferenzen wider, indem sie
zu einem Zufluss verschiedene seitliche Abflüsse berechnen kann. Rückfluss aus dem Polder bzw. aus dem Hauptgewässer wird als negativer Wert abgebildet.
Mit dem Kalinin-Miljukov-Ansatz (schwarze, grüne bzw. blaue Kurve) unter Verwendung der fixen Aufteilungsmöglichkeiten (prozentual, Schwellwert, Funktion) wird keine passende Abbildung des Fließverhaltens erreicht.
Der hydrodynamische Rechenkern ist in der aktuellen NASIM-Version (4.5) als alternative Berechnungsmethode in NASIM integriert. Teile des NASIM-Systemplans, für die dynamische Rückstaueffekte relevant sind, können hydrodynamisch berechnet werden, wobei für das restliche Modell wie bisher der hydrologische Ansatz gilt. Das Modell eignet sich auch für geschlossene Profile und Kanäle.
M.A. Geogr. Manfred Dorp, Dr. rer. nat. Eva Loch, Dipl.-Math. Benedikt Rothe